Freitag, 27. März 2015

Kingsman: The Secret Service



Facts:

Genre: Action
Regie:
Matthew Vaughn


Cast: Colin Firth, Samuel L. Jackson, Taron Egerton


Laufzeit: 129 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
Verleih: Fox Deutschland


(c) Fox Deutschland

Inhalt: 

Harry Hart (Colin Firth) ist ein britischer Geheimagent der alten Schule – cool, charmant und abgebrüht. Er arbeitet für einen der geheimsten Nachrichtendienste überhaupt: die Kingsmen. Die Agenten, die sich selbst als moderne Ritter verstehen, sind ständig auf der Suche nach neuen Rekruten. Eines Tages wird Harry auf den Straßenjungen Eggsy (Taron Egerton) aufmerksam, der, wie er findet, einiges an Potenzial zeigt. Allerdings liebäugelt Eggsy auch mit der Welt jenseits des Gesetzes und kennt keine Disziplin. Da Eggsys Vater Harry einst das Leben rettete, bewahrt der Agent den jungen Erwachsenen vor dem Gefängnis und schleust ihn in das harte Rekrutierungsprogramm seiner Organisation ein. Währenddessen untersucht er selbst das Verschwinden mehrerer hochrangiger Persönlichkeiten und gerät dabei an den Milliardär Richmond Valentine (Samuel L. Jackson), der bei einem ominösen Plan zur Rettung der Erde vor nichts und niemandem Halt macht. 

Bewertung:

Matthew Vaughn und Jane Goldman nahmen Mark Millars Comic und drehten ihn einmal komplett auf links. So wird in der Vorlage zu Beginn ein an Luke-Skywalker-Darsteller Mark Hamill erinnernder Wissenschaftler namens Mark Hamill von dem Comic-Bösewicht Dr. James Arnold entführt. Im Film ist Arnold nun der Forscher und das Entführungsopfer - und wird von eben jenem Hamill gespielt. Der Film-Schurke ist dagegen eine komplett neue Figur, die Samuel L. Jackson als absurde Mischung aus Bond-Bösewicht Blofeld, Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, einem Rapper und einem Kleinkind anlegt. Dieser Mix ergibt einen grausamen Gegenspieler mit Sprachfehler, der massenweise Leichen hinterlässt, aber weder Blut noch Gewalt sehen kann, ohne sich übergeben zu müssen; der stinkreich ist, aber nur Sneakers, zu große Hosen und Baseballkappe trägt und der beim Dinner Fast Food zu teurem Rotwein serviert: Vaughn, Goldman und Jackson haben mit diesem Richmond Valentine den Erzganoven erfunden, den unsere Zeit verdient. Und auch seine rechte Hand ist eine denkwürdige Kreation: Gazelle (Sofia Boutella) ist eine sexy Femme Fatale mit scharfen Klingen statt Beinen (!), die sie virtuos als Tötungsinstrumente einsetzt. Dagegen wirken selbst Richard Kiels berüchtigter Beißer und andere comichaft überhöhte Bond-Gegner geradezu harmlos.

In „Kingsman: The Secret Service“ werden die markanten Merkmale aller JBs (James Bond, Jason Bourne, Jack Bauer) einmal durchmischt und neu zusammengesetzt, ausgehend von diesen Agenten-Archetypen entsteht etwas ganz Eigenes. Das Ergebnis hat den Stil und die Lässigkeit klassischer Spionage-Filme und die Coolness, die Härte und die Action von heute. Immer wieder diskutieren die Protagonisten selbst über Filme, wobei die Bandbreite der Zitate weit über das Agentengenre hinausgeht. Dabei sind die Anspielungen trotz aller Deutlichkeit immer nur Garnitur und drängen sich nicht in den Vordergrund: Es ist große Kunst, wie Matthew Vaughn die verschiedenen Elemente unter einen Hut bringt. So kombiniert er die einzelnen Handlungsstränge (Richmonds schurkische Pläne, Harts Ermittlungen und Eggsys Ausbildung) so geschickt miteinander, dass der Film stets kurzweilig und spannend bleibt. An Höhepunkten wie etwa einer spektakulären Fallschirmsprung-Prüfung für die Agenten-Anwärter ist dabei kein Mangel, auch wenn die Geschichte gegen Ende einen arg vorhersehbaren Verlauf nimmt, was das Vergnügen jedoch nur geringfügig schmälert.

„Kingsman“ macht auch deshalb so viel Spaß, weil Albernheit und Ernst perfekt ausbalanciert sind – so erscheint hier etwa ein Regenschirm, der nicht nur kugelsicher ist, sondern auch selbst als Schusswaffe genutzt werden kann, als das Normalste der Welt und der absurde Weltherrschaftsplan des Bösewichts (Zitat von Harry Hart: „Ich liebe jede noch so weit hergeholte Handlung“) ergibt in der Logik des Films absolut Sinn. Auch bei den Gewaltszenen mit ihrer Mischung aus gnadenloser Härte und radikaler Stilisierung unternimmt Matthew Vaughn eine erfolgreiche Gratwanderung: Wenn ein Gottesdienst in einer konservativen Südstaaten-Gemeinde in ein Gemetzel ausartet, präsentiert uns Matthew Vaughn in einer langen, immer wieder mit kurzen Zeitlupen garnierten Sequenz ein ebenso brutales wie provokantes Action-Highlight der Extraklasse. Hier werden keine Gefangenen gemacht, sondern alles, was man so in einer Kirche findet, wird genutzt, um Menschen zu durchbohren und Köpfe zu spalten. Die blutig-dynamische Szene ist unglaublich eindrucksvoll gefilmt, es kracht an allen Ecken und Enden gleichzeitig. So etwas hat man ähnlich virtuos im Kino wohl nur in der jetzt schon legendären Gefängnishofszene in „The Raid 2“ gesehen…

Fazit: 

Auch wenn „Kingsman: The Secret Service“ gegen Ende etwas nachlässt, macht Matthew Vaughns Spionage-Hommage-Action-Kracher mächtig viel Spaß.  Das sind uns lustige 8 von 10 Punkten wert. (mk)

Mittwoch, 18. März 2015

Still Alice - Mein Leben ohne Gestern



Facts:

Genre: Drama
Regie:
Richard Glatzer, Wash Westmoreland


Cast: Julianne Moore, Kristen Stewart, Kate Bosworth


Laufzeit: 99 Minuten
FSK: ab 0 Jahre
Verleih: polyband Medien GmbH


(c) polyband Medien GmbH

Inhalt: 

Zunächst versucht die anerkannte Sprachwissenschaftlerin Dr. Alice Howland (Julianne Moore) noch, ihre Krankheit zu verheimlichen. Gelegentliche Orientierungslosigkeit in den Straßen von Manhattan und Schwierigkeiten, einzelne Wörter zu finden, machen das Leben zwar zunehmend schwerer, doch erst als Alice anfängt, auch Menschen zu verwechseln, spricht sie mit ihrer Familie über ihren Zustand. Ihr liebender Ehemann John (Alec Baldwin) ist genauso schockiert wie ihre drei erwachsenen Kinder Anna (Kate Bosworth), Tom (Hunter Parrish) und Lydia (Kristen Stewart), als sie erfahren, dass Alice an einer seltenen Form von Alzheimer leidet, die auch vererbbar ist. Mit der Diagnose wird das bislang harmonische Familien- und Alltagsleben, an dem Alice mit allen Mitteln festhalten will, auf eine äußerst harte Probe gestellt… 

Bewertung:

Es ist „Still Alice“ deutlich anzumerken, dass das Herzblut beider Regisseure in das Projekt eingeflossen ist und so entfaltet das Drama eine ungeheure emotionale Wucht. Diese starke Wirkung hängt in nicht geringem Maße mit der großartigen Darstellung von Julianne Moore zusammen, die dafür bereits einige Preise eingeheimst hat, unter anderem für den Golden Globe nominiert wurde und zu den ganz heißen Oscar-Anwärtern zählt. Die Rolle bietet eine immense Fallhöhe und Moore bringt die gesamte Bandbreite zwischen den Extremen glaubhaft und nuanciert auf die Leinwand. Als Linguistik-Professorin trumpft Alice zu Beginn des Films beim „Nebenbei“-Scrabble-Spielen noch mit einem Wort wie „HADJ“ auf, später wird ihr verschlechterter Zustand durch die mickrigen fünf Punkte für „TONE“ festgemacht.

Dabei ist „Still Alice“ keine deprimierende Schauspielstudie, sondern auch emotional wird ein großes Spektrum abgesteckt. Wenn Alice sich zu Beginn ihres Leidenswegs ganz konkret ein geheimes Anleitungsvideo zum Selbstmord aufnimmt („Wenn du nicht mehr weißt, in welchem Monat du geboren bist, in welcher Straße du wohnst und wie deine älteste Tochter heißt, mach bitte Folgendes...“), wird ein unvermeidlicher, besonders intensiver Moment gegen Ende des Films vorbereitet, aber aus ihrem Zustand ergeben sich auch ganz triviale Dramen (Was tun, wenn man dringend auf Toilette muss und im eigenen Haus nicht mehr das Badezimmer findet?). Und der Humor muss trotzdem nicht zu kurz kommen, denn wenn Alice beschreibt, dass sie bei der Lektüre von Herman Melvilles „Moby Dick“ das Gefühl hat, sie würde immer wieder dieselbe Seite lesen, so ist dies ein Problem, das durchaus auch mit dem Buch zusammenhängen könnte.

Neben Moore zeigt Kristen Stewart wie zuletzt auch in „Die Wolken von Sils Maria“ ein weiteres Mal, dass sie sehr darauf bedacht ist, als ernsthafte Schauspielerin akzeptiert zu werden und in „Still Alice“ zeigt sie wohl ihre bisher überzeugendste Leistung. Jedenfalls porträtiert sie die anfängliche, über Jahre aufgebaute Distanz von Lydia zu ihrer Mutter mit der gleichen Eindringlichkeit und emotionalen Tiefe wie die spätere Annäherung. In ihrem Zusammenspiel mit Moore kommt die ganze Tragweite der Geschichte voll zum Ausdruck. Die hier verhandelten Gedanken und Gefühle stehen klar im Vordergrund, so ist auch die Inszenierung mit der Ausnahme eines visuell sehr auffälligen Besuchs bei „Pinkberry“ nie aufdringlich. Schon der Einstieg in die Handlung - ohne Vorspann geht es mitten in eine Geburtstagsfeier - wirkt, als soll der Zuschauer komplett vergessen, dass er einen Film sieht und sich stattdessen ganz in der Geschichte verlieren. Was dann auch auf vorzügliche Weise gelingt.

Als Alice zu einem zentralen Moment der Geschichte in fortgeschrittenem Krankheitszustand einen selbstverfassten Vortrag vor der Alzheimer-Gesellschaft hält (ein letztes Festhalten an ihrer wissenschaftlichen Karriere), erinnert das zwar ansatzweise an das Hollywood-Klischee der aufrüttelnden und schließlich mit riesigem Applaus belohnten abschließenden Rede (nicht nur aus „Der Club der toten Dichter“ und „Der Duft der Frauen“ bekannt), doch wie hier mit ganz subtilen, aber genialen Mitteln der auf der Vortragenden lastende Druck auch auf das Kinopublikum übergeht, das gab es in dieser Form selten zu sehen, und ausnahmsweise sehnt man sich hier selbst als abgebrühter Kritiker nach dem befreienden Beifall.

Fazit:

Ein toller Film über ein gesellschaftlich wichtiges Thema: kein bleiernes Betroffenheitskino, sondern mitreißende Unterhaltung. Wir vergeben für diesen Film 9 von 10 Sterne (mk)
 

Montag, 2. März 2015

American Sniper OV



Facts:

Genre: Drama, Biografie
Regie: Clint Eastwood
Cast: Bradley Cooper, Sienna Miller, Luke Grimes


Laufzeit: 132 Minuten
FSK: ab 16 Jahre
Verleih: Warner Bros GmbH


(c) Warner Bros GmbH

Inhalt: 

US-Navy-SEAL und Scharfschütze Chris Kyle (Bradley Cooper) wird mit nur einem Auftrag in den Irak geschickt: Er soll seine Kameraden beschützen. Seine punktgenauen tödlichen Schüsse retten unzählige Leben von US-Soldaten auf dem Schlachtfeld. Als sich die Geschichten seiner unvergleichlichen Treffsicherheit verbreiten, bekommt er den Spitznamen „Legend“. Doch seine Reputation bleibt auch dem Feind nicht verborgen, die Iraker setzen ein Kopfgeld auf ihn aus. Und der Krieg ist nicht Kyles einziger Kampf. Der Scharfschütze versucht, seiner Frau Taya (Sienna Miller) ein guter Ehemann zu sein und gründet schließlich auch eine Familie. Aber trotzdem zieht es Kyle immer wieder in das Kriegsgebiet zurück: Er nimmt an insgesamt vier Einsätzen im Irak teil, die bei ihm deutliche seelische Spuren hinterlassen. 

Bewertung:

Der überraschende Megahit „American Sniper“ spielt trotz seines ambitionierten Themas und seines moderaten Budgets von 58 Millionen Dollar an den amerikanischen Kinokassen in einer Liga mit erwartbaren Blockbustern wie „Guardians of the Galaxy“ oder „Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1“. Damit ist er nicht nur der mit Abstand finanziell erfolgreichste Film in der langen Karriere seines 84-jährigen Regisseurs Clint Eastwood, sondern inzwischen auch der erfolgreichste Kriegsfilm aller Zeiten. Der Grund dafür liegt auf der Hand: In den USA muss man den auf der Autobiografie des Navy SEALs Chris Kyle basierenden Film einfach gesehen haben, um mitreden zu können. Dort ist seit dem Kinostart Ende Dezember eine von allen Seiten erbittert geführte Debatte entbrannt: Konservative feiern den mit mehr als 160 bestätigten tödlichen Treffern als erfolgreichster Sniper der US-Militärgeschichte geltenden Chris Kyle als den Patrioten schlechthin, während etwa der linke Filmemacher Michael Moore („Fahrenheit 9/11“) auf Twitter alle aus dem Hinterhalt schießenden Scharfschützen als Feiglinge beschimpft. Das ist an sich eine spannende Diskussion ohne „richtige“ Antwort, der „American Sniper“ aber nicht wirklich gerecht wird: Denn obwohl Eastwood den Krieg und seine Folgen durchaus kritisch beleuchtet, ist sein Porträt des Protagonisten enttäuschend einseitig. 

Fazit:

Emotional durchaus mitreißender Kriegsfilm von Altmeister Clint Eastwood, der seinen ambivalenten Protagonisten blütenweiß wäscht. Wir vergeben 7 von 10 Punkte. (mk)